Aus den Taufbüchern  katholische Pfarre Mariä Schmerzen in Mellentin
Mit den Orten Adolfshof, Emilienthal, Grünbaum, Grünwald, Mellentin, Neukrug,
Neustrahlenberg, Rohrwiese, Ruschendorf , Stibbe, und S
trahlenberg
von Thomas Soorholtz, Köln


Die katholische Pfarre Mariä Schmerzen in Mellentin gehört zu den jüngeren Kirchengemeinden im Deutsch Kroner Land. Zwar besteht eine Kirche in Mellentin seit dem 14. Jahrhundert, aber bis 1813 war der Ort eine Filiale zu Tütz, von wo aus die katholischen Christen betreut wurden. Mit der Neugliederung im Jahr 1813 wurden auch die Orte Adolfshof, Emilienthal, Grünbaum, Grünwald, Mellentin, Neukrug, Neustrahlenberg, Rohrwiese (Försterei), Ruschendorf (Filiale: St. Peter und Paul), Stibbe (Filiale: St. Josef) und Strahlenberg (Filiale: Mariä Heimsuchung) nach Mellentin eingepfarrt.

Vor 1813 finden sich die Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle aus Mellentin und Umgebung in den Tützer Kirchenbüchern, die nur bruchstückhaft erhalten sind. Nach 1813 wurden die Bücher in Mellentin geführt und 1938, als Wilhelm Volkmann eine Zusammenstellung der Grenzmärkischen Kirchenbücher erarbeitete, waren in der Pfarrei drei Taufbücher (1813-1845, 1846-1888, ab 1889), zwei Traubücher (1818-1934, ab 1935) und zwei Totenbücher (1813-1852, ab 1853) vorhanden. Die Schrecken der ersten Nachkriegszeit haben nur die beiden letztgenannten Taufbücher überstanden, die sich seit 1974 im Deutsch Kroner Heimathaus in Bad Essen befinden. Wolfgang Polley hat diese Bücher 2006 digitalisiert, ich habe die Daten in einer Excel-Tabelle erfasst, um ihre Auswertung zu erleichtern. Die beiden Taufbücher sind nahezu vollständig erhalten, es fehlt lediglich eine Doppelseite des Jahres 1932 und einige Daten der Jahre 1862 und 1901.

Acht Mellentiner Pfarrer hinterließen ihre Spuren

In den vorhandenen Taufbüchern haben acht Mellentiner Pfarrer ihre Spuren hinterlassen, dies sind Jacob Valerius Riebschläger (bis 1851), Alois Mitschek (1853-1856), Christoph Streich (1856-1870), Joseph Garske (1871-1873), Johann Bork (1873-1893), Clemens Thielemann (1894-1906), Paul Giering (1906-1907) und Joseph Garske (1907-1944). In den Jahren 1852 und 1945 war die Pfarre Mellentin vakant. Neben den Ortsgeistlichen tauften im Dorf auch die Priester der Nachbarschaft, die Tützer Pröpste und Vikare und die Pfarrer aus Marzdorf, Klein Nakel und Schloppe.

Aus Wemb am Niederrhein stammt Pfarrer Steves, der für einige Taufen zeichnet – es handelt sich um den Bruder des Mellentiner Gutsbesitzers Ferdinand Steves. Ausserdem haben Ordensgeistliche in der Gemeinde gewirkt: Pater Klaar von der Steyler Mission, Pater Gnatzy vom Gymnasium in Deutsch Krone und Pater Pickmeier aus Marzdorf. Anfangs wurden die Bücher in lateinischer Sprache geführt, nach 1889 durchgängig auf Deutsch.

Etwas Statistik aus den Taufbüchern von Mellentin

Insgesamt verzeichnen die Bücher in den hundert Jahren zwischen 1846 und 1945 5976 Taufen, davon entfallen 1922 auf Mellentin selbst (inklusive der Abbauten und des Guts), 1261 Taufen auf Ruschendorf (inkl. Abbau), 1163 auf Strahlenberg (inkl. Abbau und Vorwerk), 1032 auf Stibbe, 224 auf Emilienthal (inkl. Fischerkrug) und 154 auf Neustrahlenberg.

Auf das Jahr gerechnet, steigt die Zahl der Taufen in den ersten Jahren stetig an (von 77 im Jahr 1846 auf 98 im Jahr 1865), um dann langsam abzufallen auf etwa 60 Taufen um die Jahrhundertwende und rund 35 in den Zwischenkriegsjahren. Einen besonderen Tiefpunkt markiert der erste Weltkrieg – 1917 wurden in Mellentin nur 19 Kinder getauft, von denen vier unehelich waren.

Schulz, Polzin, Koplin, Schmidt, Robek sind die häufigsten Namen

Die häufigsten Namen in den Taufbüchern sind Schulz, Polzin, Koplin, Schmidt, Robek, Litfin, Neumann und Weckwerth. Etwa 5 Prozent der Namen in den Taufbüchern können auf polnische Wurzeln zurückgeführt werden (Binaszkiewiecz, Boczanski, Walecki etc.), diese Zahl stieg in beiden Kriegen an, als zunehmend Arbeiter aus Polen und der Ukraine in der Landwirtschaft eingesetzt wurden.

In den Jahren 1846 bis 1870 waren die beliebtesten Jungennamen in der Pfarre Johann, August und Martin, während später die meisten Knaben auf die Namen Franz, Paul und Joseph getauft wurden. Zwischen 1896 und 1920 war auch Leo als Vorname sehr beliebt, zwischen 1921 und 1945 Bruno. In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg hießen viele Knaben auch Gerhard, Horst, Wolfgang oder Werner – Namen die vorher in Mellentin ungebräuchlich waren.

Bei den Mädchennamen waren von 1846 bis 1870 Maria, Anna und Apollonia die unangefochtenen Spitzenreiter. Maria und Anna blieben in Mellentin und Umgebung immer beliebt, in den Jahren 1870 bis 1920 belegte aber Martha den dritten Rang. Von 1920 bis 1945 folgten auf Maria die Taufnamen Elisabeth und Gertrud, Anna kam nach Margarethe auf Platz fünf. Auch bei den Mädchen gewannen nach 1920 neue Namen – so z. B. Erika, Irmgard oder Monika – zunehmend an Beliebtheit.

Bauern und Arbeiterdörfer

In den Standesangaben der Taufbücher finden sich die Bezeichnungen Bauer, Arbeiter, Kossäth, Deputatknecht, Häusler, Einlieger, aber auch Gutsbesitzer, Postbote, Schmied, Stellmacher, Schwellenhauer, Lehrer, Maurer, Förster, Bedienter, Schuster, Schneider, Händler und Gastwirt. Die Sozialstruktur der einzelnen Orte war sehr unterschiedlich. Wwährend Strahlenberg ein Bauerndorf mit nur wenigen Arbeitern war, lebten in Emilienthal und Neustrahlenberg gar keine Bauern, nur Arbeiter, Kossäthen und – im Fall Emilienthals – Deputatknechte.

 Ruschendorf, Stibbe und Mellentin liegen in der Mitte zwischen den Extremen, hier gab es einige Bauern und Landarbeiter, aber die große Masse der Dorfbevölkerung stellten die Häusler und Einsassen, die nur wenig eigenes Gartenland bewirtschafteten und in der Erntesaison in den größeren Landwirtschaften aushalfen. Der Anteil der Händler und Handwerker an den Standesgruppen war in Ruschendorf und Mellentin besonders hoch.

 

Anmerkungen verraten die sozialen Hintergründe

Besonders wertvoll werden die erhaltenen Taufbücher durch zahlreiche Anmerkungen zu den Einträgen, in denen die jeweiligen Pfarrer Todesfälle und Heiraten der Täuflinge ebenso notierten, wie Firmung, Auswanderung und Kirchenaustritt. Die Anmerkungen wurden auch nach der Vertreibung bis in die 1960er Jahre hinein von den nun polnischen Amtsinhabern fortgeschrieben – das mag erstaunlich klingen, ist aber bei den Marzdorfer Kirchenbüchern, die ich im Diözesanarchiv Köslin einsehen durfte, ganz ähnlich der Fall. Offenbar funktionierten die Amtswege der katholischen Kirche auch während des kalten Krieges, als es für eine Privatperson unmöglich war, auch nur eine Geburtsurkunde aus der polnisch verwalteten Heimatpfarre zu erhalten.

Die Anmerkungen sprechen eine beredte Sprache, was die sozialen Verhältnisse in der Pfarre vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anbelangt. Erschreckend hoch war die Kindersterblichkeit in den Dörfern, es gab viele Totgeburten und im Durchschnitt starb jedes dritte Kind vor dem Erreichen des siebten Lebensjahres. Oft konnten die Eltern die Taufgebühren nicht bezahlen und die Not trieb viele Pfarrangehörige zur Abwanderung nach Berlin, Stettin, ins Ruhrgebiet, nach Amerika.

Offene Kommentierung des Pfarrers

Unwissenheit und Elend werden auch der Grund für viele Geburten „außer der Ehe“ sein, aber es schockiert doch, wenn der Pfarrer anmerkt: „Schon das vierte uneheliche Kind, wahrscheinlich vom eigenen Vater“.

Besonderer Stolz spricht aus einer Anmerkung zum Taufeintrag des Ruschendorfer Knaben Joseph Adalbert Tetzlaff (geb. 1884), dessen Familie später nach Amerika ausgewanderte. Im Jahr 1935 notierte Pfarrer Garske: „Wurde Klostergeistlicher in Nord-Amerika. Hat in der Inflationszeit viel geholfen. Zur Zeit Provinzial.“

Der Ungeist der braunen Jahre hat in den Mellentiner Kirchenbücher kaum Spuren hinterlassen, nur zweimal übernahm der „Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“ die Ehrenpatenschaft über ein Kind und zweimal der „Reichsmarschall H. Göring“. Man mag einen besonderen Humor darin erkennen, dass das erste Patenkind des braunen Diktators den echt grenzmärkischen Namen Stabolewski führte.

Interessierten Familienforschern aus Mellentin und Umgebung stelle ich die Excel-Tabelle der Taufabschriften gerne per E-Mail unter t.soorholtz@gmail.com zur Verfügung.

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 © 2009 by Joachim Schulz, Emsland

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